Gideon Rubin: A Stranger's Hand
Galerie Karsten Greve Paris
Dienstag - Samstag 10 - 19 Uhr
Vernissage
am Freitag, 16. Oktober 2020, 14 - 20 Uhr
in Anwesenheit des Künstlers
verlängert bis zum 16. Januar 2021
"For years I had an image lying on the floor of my studio of Balthus’ wife and daughter by the Italian photographer, Pierpaolo Ferrari. Perhaps, in my mind, it was the link between the beauty of the two women in that photo and the beauty and elegance of a Balthus painting – or maybe it’s how their bodies are positioned, which seemed to directly reference Balthus’ manneristic figure compositions. It might also be the ever-relevant motif of mother-and-child, or the narrative of birth and death, that made the image so intriguing to me. Either way, this image was the first diptych in a new series of work that spans more than two years, which was inspired by vintage images, found online, of artists in their youth – mainly 20th century painters whose shapes, colours and tones have been a constant presence in my own painting practice."
Gideon Rubin
A Stranger's Hand - Schon der Titel der Ausstellung beschwört die gesamte Vieldeutigkeit herauf, die für Gideon Rubins Werk so charakteristisch ist, vor allem in der Serie von zehn Gemälden, darunter zwei Diptychen, die eine Hommage an jene Künstler des 20. Jahrhunderts darstellen, deren Einfluss für Rubins Arbeit so entscheidend war, darunter Philip Guston, Willem De Kooning und Richard Diebenkorn.
Hinter dieser Serie steht ein Foto der Frau und der Tochter des Malers Balthus von dem italienischen Fotografen Pierpaolo Ferrari. Die Komposition, die Platzierung der Körper und die Eleganz dieser weiblichen Figuren erinnerten Rubin an Balthus' eigene Malerei in seinen Augen, sodass er dieses Bild ganz selbstverständlich für sein Diptychon In the Grand Chalet wählte, das erste Gemälde seiner neuen Serie.
Eine aufmerksame, umfassende Interpretation dieser Werke bringt die besondere Aufmerksamkeit zum Vorschein, die den Händen dieser Figuren gewidmet wird, die im Zentrum jeder Komposition stehen.
Hände sind faszinierende Teile des menschlichen Körpers. Sie können sich strecken oder zum Händedruck zusammenfinden. Sie können Leidenschaften entfesseln, ein Bollwerk sein, beschützen. Sie verraten Gefühle, vermitteln Zustände oder Stimmungen, sie illustrieren eine Haltung. Sie sind kreative Werkzeuge für Talente und Ausdrucksmittel für Manierismen.
Hier offenbaren sie entscheidend die Individualität dieser so wichtigen Figuren von Malern, Schriftstellern und Denkern für den Künstler, der ihnen Tribut zollt.
Und doch sticht das Wort "Stranger" im Titel der Ausstellung hervor. Die Figuren sind fremd, nicht weil wir sie nicht kennen, sondern weil sie weder durch einen Titel identifiziert, noch als Individuen behandelt werden. Die systematische Auslöschung der Gesichter, dessen, was jemanden zur Person macht, aber auch jeglicher Bezug zu Zeit und Ort, steht seit 2001 im Zentrum des künstlerischen Ansatzes von Gideon Rubin. Diese Herangehensweise, die den Betrachter mit einem Fremden konfrontiert, ermöglicht es ihm auch, eine Intimität zwischen Betrachter und Darstellung zu schaffen - eine Intimität des Blicks, der aufmerksam sein und sich die Zeit nehmen muss, das Bild bis in die kleinsten Details einer Frisur, eines Outfits, einer Haltung oder einer Einstellung zu beobachten. Diese Aufmerksamkeit formt dann allmählich eine Geschichte aus persönlicher Erfahrung oder universellem Wissen, oder vielleicht eine Mischung aus beidem.
Von da an ist die Hand nicht mehr die eines Fremden. Sie bietet uns die Schlüssel an und enthüllt die - reale oder eingebildete - Identität der gemalten Figur. Und darin liegt die Schönheit von Gideon Rubins Werken, die uns in eine Geschichte entführen, die komplex und vielschichtig, persönlich und universell ist und sowohl die Vergangenheit als auch die Gegenwart heraufbeschwört.
Gideon Rubin schuf seine Werke aus verschiedenen Quellen. Er schöpft aus alten Zeitungen, auf Flohmärkten ausgegrabenen Fotos, generischen Bildern in Magazinen, alten Kunstbüchern und Ausschnitten aus Filmen. Seine Künstlerporträts sind inspiriert von Vintage-Bildern, die er im Internet gefunden hat. So mischt er bewusst Stile, Epochen und Orte, um die lokalen und historischen Mechanismen der Darstellung zu zeigen.
Auf den ersten Blick erkennbar durch seine Palette sandiger, pastelliger Töne - manchmal betont durch ein leuchtendes Blau oder einen Hauch von Rot - ist die Beziehung zwischen Farbe und ihrem Träger entscheidend für Rubins Arbeit. Mit einer Vorliebe für Leinwände, aber auch auf Holz und Karton arbeitend, legt er großen Wert auf die Wahl des Trägers, der unter breiten, kräftigen Pinselstrichen in einem Non-Finito-Ansatz erscheint, der seinen Werken eine einzigartige Subtilität und Leichtigkeit verleiht. Seine lebhaften Pinselstriche lösen einige Teile der Komposition in einer faszinierenden Mischung aus Figuration und Abstraktion auf.
So lebt und atmet Gideon Rubins Malerei im Rhythmus eines subtilen Pendelns zwischen Auslöschung und Wiederherstellung, Erinnerung und Imagination und erzeugt eine Vielzahl von Fiktionen und Geschichten.